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Pläne für ein Bürgerzentrum enden vorerst in einem Desaster

Spruch der Vergabekammer Westfalen untersagt Zuschlag für das favorisierte Angebot

Während viele Bürger und die Oppositionsparteien UWG und Bündnisgrüne noch vergeblich versuchten, die Pläne für ein überteuertes Bürgerzentrum etwas bescheidener gestalten zu lassen, platzte am 27. Mai 2019 ein Beschluss der Vergabekammer Westfalen aus Münster wie eine Bombe im Rathaus. Noch vor wenigen Monaten hatte die Bürgermeisterin dem Rat mitgeteilt, dass ein unterlegener Bieter das Vergabeverfahren angefochten habe; das sei aber reine Formsache und völlig unbedeutend. Der Baubeginn, für Mai 2019 geplant, erfahre dadurch nur eine ärgerliche Verzögerung. Falls das ernst gemeint war, so muss der Schock um so größer gewesen sein. Denn der Spruch der Vergabekammer verbot nicht nur den Zuschlag für das Angebot des favorisierten Bieters, sondern listete noch eine ganze Reihe schwerer Verfahrensfehler auf, die so nicht hätten passieren dürfen. Alles noch einmal auf Anfang. Ein Schaden, der in die Million geht. Wer ist dafür verantwortlich? Und wie soll es weitergehen?

Fragen der UWG an die Berater und an die Bürgermeisterin

Das Projektcontrolling hatte die Fa. iwb ingenieurgesellschaft mbH übernommen, das Land stellte über NRW.Urban Fachleute zur Verfügung, die auch Zuschüsse locker machen sollten. Die oberste Verantwortung hat wie bei allen Unternehmungen der Gemeinde die Bürgermeisterin. Betroffen ist auch der Rat, soweit er Verfahrensfehler erkennen konnte; UWG und Bündnisgrüne waren im letzten Moment im Januar misstrauisch geworden und hatten der Vergabe nicht zugestimmt. Aber die von ihnen monierte Kostenexplosion, u.a. wegen nicht im Rat besprochener Zusatzwünsche war nur einer von mehreren Gründen, dass die Vergabekammer die Reißleine zog. Für Einzelheiten kann man sich hier den Beschluss herunterladen.


Neues "Bürgerzentrum": Das wäre auf Nordwalde zugekommen

Der Spruch der Vergabekammer Westfalen der Bezirksregierung Münster vom 27. Mai 2019 hat alle bisherigen Planungen zur Makulatur gemacht. Wer sich Vorgeschichte und Für und Wider noch einmal vor Augen halten will, lese den folgenden Teil.

Neues "Bürgerzentrum": gigantische Baukosten, unübersehbare Folgekosten

Jetzt geht es einer ganzen Generation Nordwalder ans Portemonnaie

Jahrelang tagten Gutachter und eine Kommission, in der auch der Rat mit CDU und SPD (aber nicht mit den übrigen Fraktionen) vertreten war. Die Versprechen waren beruhigend:

  • Ein bescheidener Bau, in dem alle Räume Mehrzweckräume sind, etwa der Ratssaal tagsüber Sozialraum, Gruppen von Büroräumen durch mobile Zwischenwände zu größeren Sälen nach Bedarf zusammenlegbar usw. Keine Vermietungen an Dritte.

  • Wir nennen das Rathaus "Bürgerzentrum", da die Bürger abends in den Mehrzweckräumen zusammenkommen können. Dann gibt es Millionen Zuschüsse.

  • Ankauf des Nachbargrundstücks, damit Platz bleibt für Alternativen, die Geld sparen: etwa durch einen Anbau eines Investors, ferner dass das neue Rathaus versetzt hinter dem alten hochgezogen werden kann, um 300.000 € Umzugskosten zu sparen.

  • Absicherung gegen eine Kostenexplosion durch einen Generalunternehmer mit Festpreis.

Zum 22. Januar 2019 lag der Entwurf in geheimer Sitzung vor und ließ alle Illusionen platzen! Wer nicht in der Kommission dabeigewesen war, fühlte sich übertölpelt.

Dabei darf nach Rechtsauskunft immer noch nicht alles berichtet werden, was den Bürger auf die Palme bringen könnte. Das geht erst nach Unterschrift unter den Generalvertrag, und dann ist der Monsterbau nicht mehr aufzuhalten.

So ist es nach dem beschlossenen Entwurf

Inzwischen hat die Bürgermeisterin in den Westfälischen Nachrichten und im Netzauftritt der Gemeinde doch schon einiges verraten. Da sie rechtlich als "sichere Quelle" gilt, darf Folgendes bestätigt werden:

  • Es handelt sich nicht um ein reines Verwaltungsgebäude, d.h. ein Teil der Gebäudeflächen ist ausschließlich "Bürgerbegegnungen" vorbehalten; sonst hätte es keine Zuschüsse gegeben. Es werden 4 Säle (jeweils über 50 m², genauere Angaben sind geheim): Bürgersaal/Ratssaal, ein teilbarer weiterer Bürgersaal, ein großes Foyer und ein Ausstellungssaal; dazu ein repräsentatives Trauzimmer und 2 kleinere Besprechungszimmer.

  • Der Bau ist so groß, dass er sich nach der Abbildung vom 23. März 2019 in den Westfälischen Nachrichten bis auf das angekaufte Nachbargrundstück erstreckt. Damit müssen dessen Kosten (192.000 €) zur Gesamtsumme zugeschlagen werden. Jetzt ist auch klar, warum der Rat 2018 urplötzlich die Baubewerber von der in der Ausschreibung wesentlichen Auflage, dort in "Drittverwertung" ein eigenes Gewerbebauwerk zu errichten, befreien musste.

    Damit ist auch die Möglichkeit, das neue Rathaus versetzt hinter dem alten zu bauen, fallengelassen worden. So entstehen Umzugskosten, die man vermeiden wollte. Container am Bispinghof, neuer Übergang zur Hauptinsel mit Durchlass für die Gräfte, usw., was teilweise den Sprung der Baukosten auf 9,1 Mill. € erklärt.

  • Nicht nur, dass der Neubau nach Nutzungsflächen 86% größer ausfällt als das alte Rathaus, der großzügige Entwurf geht auch um 26% über das hinaus, was der Rat am 1. März 2016 als "funktionale Leistungsbeschreibung" beschlossen hat. In dieser wird man z.B. den Ausstellungssaal vergeblich suchen. Warum hat die Verwaltung das mitgemacht?

    Allgemein gibt die Bürgermeisterin an, dass der Neubau so groß sein muss, um die gestiegene Anzahl der Mitarbeiter wegen zusätzlicher Aufgaben zu berücksichtigen, wegen Vorschriften zur Behindertengerechtigkeit und Datenschutz. Das ist tendenziell nachzuvollziehen, hat aber zum Teil nur eine Vergrößerung der Verkehrsflächen und nicht der Nutzungsflächen zur Folge und erklärt vor allem nicht, warum so viel mehr geliefert als bestellt wurde. Im Gegensatz zu den Wünschen bei der Planung ist jetzt auch Vermietung vorgesehen, so an die Polizei und das Jobcenter.

  • Nun zu dem Gesamtpreis. Der künftigen Kostenexplosion ist man dadurch entkommen, indem man sie einfach vorweggenommen hat! 8,9 Millionen € beziffert die Bürgermeisterin die Baukosten (einschließlich den vorübergehenden Umzug in Container), bei Zuschüssen in Höhe von 3,17 Millionen €.
    Zum Vergleich frühere Schätzungen:
    Haushalt 2014 3,4 Mill. €, Haushalt 2015 3,3 Mill. €, Haushalt 2016 3,8 Mill. €;
    dann als Bürgerzentrum: Haushalt 2018 5,2 Mill. € (abzgl. 2,3 Mill. € Zuschuss), Haushalt 2019 9,1 Mill. € (abzgl. der 3,17 Mill. € Zuschuss) einschließlich Grunderwerb. Der Sprung von 2018 auf 2019 ist also überrraschend. Inzwischen sind allein einige 100.000 € nur für Planungs- und Beratungskosten ausgegeben worden!

Zusätzliche Kosten (ohne Rathausvorplatz)

Und das ist noch nicht alles: Während der Bauphase kommen erhebliche Kosten für die Baukontrolle hinzu (der genaue Betrag ist geheim). Auch muss das "Bürgerzentrum" eingerichtet werden, und dafür wurden 2018 noch 70.000 € im Haushaltsplan 2020 veranschlagt; jetzt, 1 Jahr später, geht man schon von 250.000 € aus. Mit sonstigen Nebenkosten dürfte - ohne Berücksichtigung der Zuschüsse - insgesamt die 10-Millionen-Grenze erreicht werden.

Eine Herausforderung für die kommende Generation

Damit hat Nordwalde einen Bau am Hals, der nur an Zinsen und Tilgungen 30 Jahre lang jährlich die Kosten eines Einfamilienhauses ausmacht. Die Abschreibungen in Höhe eines sechsstelligen Betrages schlagen sich über 60 Jahre im Ertragshaushalt nieder. Eine Herausforderung für die kommende Generation.

Die Fraktion Bündnis 90/die Grünen haben in der Lokalpresse erklärt, dass sie gegen dieses Mammutprojekt gestimmt haben, die SPD hat öffentlich ihre Zustimmung bekanntgegeben. Eigentlich sind die Abstimmergebnisse auch geheim, weshalb die UWG vorsichtshalber nicht sagt, wie sie abgestimmt hat. Die vorstehenden Ausführungen dürften wohl genügen.

Geschenkter Luxus 20 Jahre festgeschrieben

Nun muss sich jeder fragen, was es denn für eine Alternative gegeben hätte. Immerhin bekommt Nordwalde einen Gebäudeteil im Wert etwa der Zuschüsse von 3,17 Mill. € geschenkt. Hätte man die lieber nicht nehmen sollen, nachdem klar wurde, was "Bürgerzentrum" bedeutet? Nämlich u.a., wie die Bürgermeisterin in der Ratssitzung vom 19. Februar 2019 gestand, dass Nordwalde sich auf diese Nutzung für 20 Jahre verpflichtet hat. Also keine Umwidmung oder Umbau, wenn die Bürger keinen Bedarf für dauernde "Begegnungen" sehen, wobei sie ja auch mit einer angemessenen Miete zu den Unterhaltungskosten beizutragen haben.

Unabsehbare Folgekosten

Eine Überlegung, die zum letzten Thema führt, die Unterhaltungskosten des Bürgerzentrums: Reinigungskosten, Strom, Heizung, Wasser, ... Zu Strom- und Heizungskosten hatte die UWG schon vor Jahren wiederholt ein 0-Energiehaus gefordert. Man kann ja ausrechnen, wie schnell sich eine eigene Stromproduktion amortisiert. Was jetzt vorgesehen ist, ist - man ahnt es schon - geheim. In der Infoveranstaltung des Bürgerbegehrens für ein bezahlbares Rathaus am 11. März 2019 ließ die Verwaltung verlauten, dass der Energieverbrauchsstandard KfW55 rein passiv durch entsprechende Baumaßnahmen erzielt werden soll, nicht durch Eigenproduktion von Energie. Photovoltaik - eigentlich eine Selbstverständlichkeit bei der riesigen Dachfläche - könne noch eingerichtet werden.

Das hätte aber in der Funktionsbeschreibung längst festgezurrt werden müssen, um Kosten des nachträglichen Einbaus zu sparen. Entsprechende Eingaben von der UWG und den Bündnisgrünen wurden ignoriert. Heizungstyp? Solartherme? Keine Information.

Überteuerte öffentliche Bauten, ein Naturgesetz?

In Nordwalde sind soeben zwei riesige Geschäftshäuser an der Bahnhofstraße errichtet worden. Da müsste man mal die Baukosten pro m² mit denen des Bürgerzentrums vergleichen. Es ist doch kein Naturgesetz, dass öffentliche Bauvorhaben ungleich teurer sind als private. Klar, beim Privatmann geht es um das eigene Geld. Jetzt dürfen die Ratsmitglieder erst dann mit den endgültigen Überraschungen aufwarten, sobald der Vertrag unterschrieben ist.

Inzwischen stelle sich jeder Bürger auf eine steil nach oben gehende Grundsteuer B ab 2021, dem vorgesehenen Fertigstellungsjahr des Bürgerzentrums, ein. Aber vorher könnte er im Wahljahr 2020 schon mal durch seine Stimme deutlich werden lassen, ob er eine wirksame Opposition im Rat künftig für notwendig hält oder nicht.


Seitengestaltung / verantwortlich: Rudolf Fischer <fischru@uni-muenster.de> 2019-04-03